Meine 3 größten Fehler als Pastoralassistent und was ich heute anders mache

Nach meinem Theologiestudium im schönen Münster bin ich als Pastoralassistent zur Ausbildung zurück in mein Heimatbistum gewechselt.

Die Arbeit in der Pastoral bietet einem unheimliche Freiheiten. Unheimlich gut wenn man weiß damit umzugehen, unheimlich gefährlich wenn man es nicht kann.

Ich möchte heute zurück sehen auf meine erste Zeit als Pastoralassistent und auf das, was ich in dieser Zeit lernen musste.

In meinen ersten Monaten als Pastoralassitent habe ich noch einen Papierkalender geführt.

Das hatte besonders einen großen Nachteil: Menschen, die neben mir saßen, konnten mitlesen. Mich hat das nie gestört, denn schließlich stand ja nichts geheimes in meinem Kalender.
Ich habe jedoch umgedacht, nachdem jemand sagte “Da ist doch noch Platz” und auf meinen freien Montag zeigte.
Ich arbeite 6 Tage die Woche und kann mir einen freien Tag frei wählen. Bei mir dir das der Montag.
Inzwischen kann ich Argumente von Ehrenamtlichen wie “Ich muss ja auch Montags kommen” locker kontern mit “Das ist ja furchtbar. Wer zwingt sie denn dazu ihre Freizeit hier zu verbringen?” Ich verbringe meine Freizeit gerne außerhalb meiner Arbeit und fühle mich inzwischen auch gut dabei.
Zu Beginn habe ich verschiedene Modelle für den freien Tag probiert. So riet mir eine Kollegin den freien Tag jede Woche spontan zu nehmen. Auf meine Nachfrage, ob das bei ihr gut klappt, kam die leise Antwort “Im letzten halben Jahr gar nicht.”

Inzwischen ist der Montag mein fester freier Tag und das wissen auch die Gemeindemitglieder und die Sekretärinnen. Auch auf der Gemeindehomepage steht unter meiner Telefonnummer, dass ich an diesem Tag nicht erreichbar bin. Es muss ja niemand unnötig versuchen mich an zu rufen.
Der Montag Abend ist übrigens fest als ein Eheabend mit meiner Frau geblockt.

1. Learning als Pastoralassistent

Lege deinen freien Tag (oder in einem anderen Beruf deine freien Tage) dauerhaft fest und verteidige ihn freundlich aber bestimmt.

Ein zweiter Fehler, aus dem ich viel gelernt habe, hat auch mit den nicht geregelten Arbeitszeiten zu tun. Ich dachte als Seelsorger wäre es meine Pflicht immer erreichbar zu sein. Schließlich muss ich als Seelsorger doch immer ein offenes Ohr haben. Dieser Selbstanspruch hat mich extremenm Stress ausgesetzt und mich ausgelaugt.
Ein Kollege gab mir bei einer Methode während einer Fortbildung einen Zettel auf den er geschrieben hatte

“Du bist wie eine Kerze, die anderen Licht schenkt. Verbrenne dich nicht selbst dabei.”

Inzwischen orientiere ich mich an einem Zitat aus dem Brief von Bernhard von Clairvaux “An einen gestressten Papst” dort schreibt er:

»Gönne dich dir selbst.
Ich sage nicht tu das immer.
Ich sage nicht tu das oft.
Aber ich sage
Sei wie für alle anderen
Auch für dich selber da.
Oder sei es zumindest nach allen anderen.«

2. Learning als Pastoralassistent

Umgesetzt in meinem Leben sieht das so aus:

  • Mein Handy ist regelmäßig nur für die Familie erreichbar. Wir haben in unserer Gemeinde eine “seelsorgliche Notfallnummer”. Unter dieser Nummer ist jederzeit einer von uns Seelsorgern erreichbar. Ich kann so mein Telefon mit ruhigem Gewissen abschalten, weil ich weiß die Menschen können trotzdem jederzeit Hilfe bekommen.
  • Facebook lese ich einmal täglich. Meistens als letztes bevor ich das Büro verlasse
  • E-Mails rufe ich nur noch zweimal täglich ab. Weder am Computer noch auf dem Handy bekomme ich Benachrichtigungen über neue Mails.

E-Mails waren mein dritter großer Fehler. Sie hatten eine viel zu hohe Priorität.

Ich habe Mails auch am freien Wochenende und sogar im Urlaub gelesen und beantwortet. Begründet gegenüber meiner Frau habe ich das gerne damit, dass es sonst zu viele würden um diese noch abarbeiten zu können. Was für ein Blödsinn!

Ich habe dann letztes Jahr im Urlaub ein Experiment gemacht. Ich hatte eine zweite Mailadresse mit meinem Namen und dem Wort “Dringend” in der Adresse. Diese Mailadresse packte ich in die Emailaway mit der Bitte diese in dringenden Fällen zu nutzen. Im Urlaub habe ich dann nur die zweite Adresse einmal täglich abgerufen.
Was meinst du wie oft sie in 2 Wochen genutzt wurde?
Nur Zweimal! Und eine der Mails fing folgendermaßen an »Hallo Benjamin, es ist nicht dringend aber …«

Diese Erfahrung motivierte mich dazu noch radikaler zu werden. In meinem ersten Elternzeitmonat erhielten die Absender einer Mail folgenden Hinweis

“Guten Tag, vielen Dank für Ihre Mail. Ich befinde mich bis zum xx.xx in Elternzeit. Ihre Mail wird nicht gelesen. Sollte Ihr Anliegen nach dem Ende meiner Elternzeit noch wichtig sein schreiben Sie mir dann bitte erneut.
mit freundlichen Grüßen Benjamin Floer”

Ich habe etwas mehr als 600 Mails ungeöffnet gelöscht. Wieviele meinst du haben sich nochmal gemeldet?
Vier. Vier von 600!!

3. Learning als Pastoralassistent

E-Mails werden viel zu viele geschickt. Ich nehme E-Mails daher nicht mehr so wichtig und mach mir keinen Druck bei der Beantwortung.

Du solltest selber auch andere vor unnötigen Mails schützen. Überlege dir vor dem senden jeder Mail ob du bereit wärst 62 Cent Porto (derzeit das Briefporto in Deutschland) zu zahlen. Wohlgemerkt 62 Cent pro Empfänger. Manche Mail, die ich bekomme, würde dann mal eben mehr als 62 Euro kosten!

Wie du deine Mails am besten anpackst, um jeden Abend einen leeren Posteingang zu haben erfährst du hier.

Fazit:

1. Lege dir einen freien Tag fest und verteidige ihn.
2. Gönne dich dir selbst und sei für andere auch mal nicht erreichbar.
3. E-Mails sind nicht so wichtig wie du denkst.

Diese 3 Erkenntnisse musste ich zunächst erlernen und erproben. Seitdem ich sie konsequent anwende habe ich mehr Zeit, weniger Stress und somit mehr Spaß an meinem Beruf.

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2 Kommentare

  • Neuer Beruf? Neue Stelle?
    Herzlichen Glückwunsch! Doch gibt es eine Sache, die möchte auch ich jedem Berufsanfänger mitgeben. Ich musste sie schwer erlernen.
    Als Pastoralassistentin begann ich damals in einem Beruf mit sehr vielen Freiheiten. Nicht nur was die Arbeitszeiten betrifft, sondern auch die Arbeitsfelder und zu erledigenden Aufgaben, kann dieser Beruf sehr unterschiedlich aussehen.
    Bevor du startest solltest du ein klares Bild haben, wie du dir deine Arbeit und dich in deinem Beruf vorstellst. Du solltest zuvor realistisch betrachten, was du tun sollst und willst und was eben nicht. Wenn du mit diesem Bild startest, kannst du es gut immer wieder reflektieren und ggf. anpassen, aber du hast eine gute Richtlinie.
    Als ich damals im Beruf anfing, meinte ich ein festes Bild zu haben. Dieses war aber unreflektiert und bestannt vor allem aus Bauchgefühl. Auf der ersten Stelle lief das noch sehr gut. Auf meiner zweiten Stelle wurde ich dann jedoch mit Rollenbildern von zig unterschiedlichen Seiten konfrontiert (die Kollegen im Team, verschiedene Gemeindemitglieder), die nichts miteinander oder mit meinem "Bauchgefühl" zu tun hatten. Da meine eigene Vorstellung vom Beruf nicht klar reflektiert war, konnte ich diesen Bildern nichts entgegensetzen und versuchte erst einmal, es allen recht zu machen, und all diesen Bildern zu entsprechen - was aber de facto nicht möglich ist. Ich bin ja nur eine Person. Ich kann zwar hier und dort einen anderen "Hut" aufsetzen, mich also situationsgegeben verhalten, aber ich kann nicht an fünf Orten gleichzeitig sein und mehrere Positionen gleichzeitig vertreten.
    Als ich einmal in diese Falle etappt war, war es sehr schwierig, einen Ausweg zu finden. Dass ich nachträglich meine Rolle neu definierte, führte zu enttäuschten Hoffnungen bei Menschen in meinem Umfeld. Hätte ich bereits zu Beginn klar gehabt, was genau ich als meine Aufgabe betrachte und was nicht, hätte ich dieses Bild von Beginn an freundlich nach aussen vertreten können und andere hätten sich besser darauf einstellen können.
    Somit mein Tipp:
    Bevor du anfängst: Überlege dir einmal genau (auch mit Hilfe von Beispielen), wie du deine Rolle verstehst und was deine Aufgabe im Beruf ist. Sobald du anfängst: Prüfe jede Anfrage von aussen vor diesem Berufsbild.
  • Hallo Monika,

    vielen Dank für deine sehr wertvolle Ergänzung. Das könnte sogar der wichtigste Tipp sein ?.

    Magst du uns verraten wie dein Bild vom Beruf aussieht? An welchen Normen orientierest du dich?

    viele Grüße Benjamin

Was denkst du?

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